„Modernes SCM und traditionelles Inhouse-Planning unterscheiden sich deutlich voneinander“, meint Johan Martinsson, Competence Center Manager SCM beim Collaboration-Anbieter Intentia, im Gespräch mit Michael Wirt. SCM wird – laut Martinsson – auch künftig ein Thema sein.

Michael Wirt:

Herr Martinsson, SCM gewinnt an Bedeutung. Wodurch unterscheidet es sich vom Inhouse-Planning? Oder handelt es sich einmal mehr um „alten Wein in neuen Schläuchen“?

Johan Martinsson:

Keineswegs. Es gibt vier deutliche Unterscheidungsmerkmale, die zeigen, dass modernes Lieferkettenmanagement oder SCM weit über das traditionelle Inhouse-Planning hinausgeht. Erstens: Beim Inhouse-Planning handelte es sich um ein Planungswerkzeug für einen Standort. In der modernen Wirtschaft muss ein System imstande sein, die Planung für mehrere Standorte zu übernehmen. Das können SCM-Systeme. Zweitens: Die Lieferkette reicht über das jeweilige Unternehmen hinaus. Das heißt, Lieferanten, Kunden und auch Spediteure müssen eingebunden werden. Dies ist beim Inhouse-Planning im Gegensatz zum Supply Chain Management nicht der Fall. Drittens: Traditionell gab es eine sequentielle Planung; erst lief die Material-, danach die Kapazitätsplanung. Der moderne Ansatz ermöglicht eine parallele Planung von Material und Kapazitäten, was aufgrund des Zusammenhangs zwischen beiden ein beachtlicher Fortschritt ist. Viertens: SCM-Systeme erlauben Simulationen. Beispielsweise, was passiert, wenn eine Maschine ausfällt oder bei einem Lieferanten Engpässe entstehen? Das bedeutet eine „proaktive“ Herangehensweise, die sich von der „reaktiven“ früherer Jahre unterscheidet. Wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist, wird es schwierig, umzuplanen.

Michael Wirt:

Was müssen Unternehmen beachten, die SCM-Systeme einführen wollen? Was sind die erfolgskritischen Faktoren?

Johan Martinsson:

Zunächst einmal müssen die organisatorischen Voraussetzungen im Unternehmen stimmen. Ein SCM-System kann nur funktionieren, wenn im Vorfeld klar definiert ist, wie die Prozesse im Unternehmen aussehen und wer für was zuständig ist. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber wir erleben manchmal Überraschungen. Wichtig ist, dass sich der personelle Wechsel bei den Projektteams während der Implementierungsphase in Grenzen hält. Natürlich lässt sich eine gewisse personelle Fluktuation nicht vermeiden. Wenn aber das Projektteam zu Beginn der Implementierung völlig anders aussieht als bei Inbetriebnahme des Systems, wird das ein Problem. Häufig erleben wir es, dass Unternehmen aus Kostengründen an Schulungen sparen. Ein Fehler – denn ein schlecht geschulter Mitarbeiter wird die zahlreichen Funktionalitäten des SCM-Systems kaum nutzen. Damit werden Chancen auf Prozessoptimierung verspielt.

Michael Wirt:

Best-of-Breed-Anwendungen versus integrierte Systeme – eine vielfach diskutierte Frage. Ist es für ein Unternehmen nicht vorteilhafter, die besten am Markt verfügbaren Anwendungen einzusetzen und per Schnittstellen zu verbinden?

Johan Martinsson:

Natürlich behaupten viele Best-of-Breed-Anbieter, dass ihre Anwendungen problemlos über eine Standardschnittstelle mit dem ERP-System verbunden werden können. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es solche Standardschnittstellen in der Praxis nicht gibt. Der Programmierungsaufwand – und somit auch die Kosten – für die Schnittstellen ist in der Praxis weitaus höher als die Bezeichnung Standardschnittstelle vermuten lässt. Bei jedem Upgrade müssen die Schnittstellen umprogrammiert werden, womit sich die Total Costs of Ownership (TCO) erhöhen – von den Problemen einer redundanten Datenhaltung ganz zu schweigen. Allerdings: Die Frage stellt sich so eigentlich nicht, da mit Ausnahme von SAP, die auf eine Eigenentwicklung setzt, die führenden Hersteller integrierter Systeme wie Intentia, Baan oder Oracle Best-of-Breed-Anwendungen einsetzen. Die Kunden haben dadurch einen zweifachen Vorteil: Hohe Funktionalität und Integration.

Michael Wirt:

Intentia ist als so genannter Collaboration-Anbieter auch im Bereich Supply Chain Management tätig. Welche SCM-Projekte hat Intentia durchgeführt?

Johan Martinsson:

Insgesamt haben wir rund 600 SCM-Projekte für mehr als 400 Kunden durchgeführt. Im deutschsprachigen Raum gibt es ein gutes Dutzend Kunden – darunter SAB WABCO aus Remscheid, einem führenden Fertiger von Komponenten für Schienenfahrzeuge, und die österreichische KTM, einem Motorradhersteller. Allerdings liegt die Inbetriebnahme des SCM-Systems noch nicht solange zurück, dass wir konkrete Ergebnisse benennen können. Die Erfahrungen skandinavischer Firmen stimmen uns aber positiv: Das schwedische Unternehmen Seco Tools, Hersteller von Hartmetall-Werkzeugen, setzt seit 1998 unsere SCM-Lösung für die Produktionsstätten in Schweden, Frankreich, Italien und den USA ein. Dort werden mit einem normalen Rechner 3.500 Aufträge, 17.300 Arbeitsgänge und 830 Ressourcen geplant – alles innerhalb von 15 Sekunden. Das System unterstützt Simulation und Planung in idealer Weise. Ein anderes Unternehmen – ein Hersteller von Materialverkleinerungsmaschinen namens Sandvik – konnte mit der ebenfalls 1998 eingeführten SCM-Lösung die Durchlaufzeiten um ein Drittel reduzieren, die Liefertreue von 75 auf 95 Prozent erhöhen und den Deckungsbeitrag für Ersatzteile um 200.000 Euro steigern. Insgesamt beliefen sich die Einsparungen auf 450.000 Euro. Das SCM-System hatte sich in weniger als drei Monaten amortisiert.

Michael Wirt:

Wohin geht Ihrer Meinung nach die Entwicklung beim Supply Chain Management? Wird SCM in fünf Jahren noch ein Thema sein?

Johan Martinsson:

Das Thema Lieferketten-Management und -Planung wird wichtiger werden. Gerade in den Bereichen Herstellung, Transport und Lagerhaltung gibt es hohe Einsparpotentiale, die sich im Ergebnis niederschlagen. Wer seine Lieferkette nicht optimiert, hat einen klaren Wettbewerbsnachteil. Ein zweiter Punkt: In Zukunft werden immer stärker ganze Lieferketten und nicht mehr einzelne Unternehmen konkurrieren. Das bedeutet, Kommunikation und automatisierte Prozesssteuerung mit Kunden und Lieferanten müssen verbessert werden. Die Firmen werden gezwungen sein, sich weitaus stärker als bisher für ihre Geschäftspartner zu öffnen. Analysten wie die Gartner Group gehen von einer jährlichen Wachstumsrate für SCM-Software von 29 Prozent in den nächsten vier Jahren aus. Egal, wie man zu diesen Prognosen steht, Supply Chain Management wird auch in Zukunft ein Thema sein.

Michael Wirt:

Herr Martinsson, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Johan Martinsson, Product Manager SCM, Intentia Central Europe

Intentia Deutschland GmbH

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