Die vornehmliche Aufgabe eines Warenwirtschaftssystems (WWS) ist das artikelgenaue Erfassen und Bewirtschaften von Waren nach Mengen und Werten. Der dafür erforderliche Aufwand ist bei weitem nicht immer so beschaulich, wie es uns die „Dame“-spielenden Lageristen im kultigen Jack-Daniel’s-Werbespot vorführen. Denn der Kreislauf aus Wareneingang, Liefer- und Rechnungskontrolle, Einlagerung, Verkauf, Disposition, Logistik, Bedarfsermittlung und Bestellung lässt viele Hebel in Bewegung geraten. Im Grunde genommen geht es dabei immer um zwei Dinge, die zusammenzuführen sind: die Ware und den Kunden. Vor diesem Hintergrund spielen die Integration des WWS mit dem Customer Relationship Management (CRM) und das lückenlose Wissen um den aktuellen Standort der Waren eine ganz entscheidende Rolle.

Nicht nur Münzen haben zwei Seiten

Soll und Haben, Angebot und Nachfrage, Einnahmen und Ausgaben – die Beispiele solcher Ambivalenzen sind im kaufmännischen Alltag schier grenzenlos und haben allesamt jahrhundertlange Tradition. Ebenfalls in Einklang zu bringen sind Ware und Kunden oder genauer gesagt: Warenfluss und Kundenwünsche. Daher muss das WWS einerseits über die entsprechenden Mechanismen verfügen, die Kunden zu erkennen, zu analysieren und deren Bedarfsverhalten zu antizipieren; die Integration von CRM-Lösungen bietet hierfür die ideale Voraussetzung. Andererseits ist natürlich auch der gesamte Warenfluss zu managen. Vor allem bei Lebensmitteln und pharmazeutischen Produkten ist es äußerst wichtig, nachvollziehen zu können, woher die bezogenen Waren bzw. deren Bestandteile stammen. Zur Steuerungskomponente gehört ebenfalls dazu, jederzeit zu wissen, wo sich die Paletten, Tanks und sonstigen Gebinde aktuell befinden. Unter den Stichwörtern Tracking und Tracing hat sich in diesem Kontext eine ganze Reihe von Methoden mit dazugehörigen Werkzeugen gebildet, die teilweise die modernsten (e-)Technologien nutzen.

Die Kunden im WWS (er)kennen …

Das Thema Integration spielt ganz allgemein bei Business-Software eine entscheidende Rolle. Schließlich gibt es kaum einen ERP- (Enterprise Resource Planning-) Prozess, der isoliert zu betrachten ist und ohne Auswirkung auf andere Bereiche bleibt. Das gilt selbstverständlich auch für die Warenwirtschaft als Drehscheibe sämtlichen Warenverkehrs und hier insbesondere für die Einbindung aller kundenbezogene Prozesse. So kann der Sachbearbeiter über die Integration von WWS und CRM neben der allgemeinen Kommunikation mit Wiedervorlagen und Terminen auch kundenbezogen auf Angebote, Auftragsbestätigungen, Lieferscheine und Fakturen zugreifen und die bevorzugten Produkte, aber auch die Offenen Posten abrufen. Hinzu kommt die analytische Komponente des CRM, die beispielsweise dabei unterstützt, Kaufverhalten zu antizipieren oder Customer-Equity-Potenziale abzuschöpfen.

… als Teil der Business-Logik

Wer ist mein Kunde, welches Kaufverhalten legt er an den Tag, wie kann ich den Absatz und die darauf folgenden logistischen Prozesse optimieren – welche Vorgänge müssen demzufolge angestoßen werden? Die Beantwortung dieser vielschichtigen Fragen erhöht die Effizienz in der Warenwirtschaft ganz entscheidend. Die Integration bringt dabei mit sich, dass an jedem gewünschten Arbeitsplatz ohne Wechsel der Anwendung oder gar Medienbrüche alle Schritte von der Angebotserstellung über die Auftragsbearbeitung bis zur Rechnungsstellung nachvollziehbar bleiben. Die Daten müssen zudem nicht mehr doppelt gepflegt werden, was auch zu höherer Zuverlässigkeit führt. Außerdem lassen sich zur Unterstützung des Vertriebs alle Artikel mit kundenindividualisierten Preislisten, Bebilderung und Zusatzinformationen zentral abrufbar vorhalten.

Tracking & Tracing

Das Controlling des Warenflusses kennt im Wesentlichen zwei Aspekte: das Nachvollziehen von extern gelieferten Rohstoffen bzw. Zulieferteilen samt Chargenrückverfolgung auf der produkthistorischen Seite und – sozusagen als logistischer Aspekt – die Verfolgung der Versandstücke auf dem Weg zum Kunden. Dabei hat die Rückverfolgbarkeit in den letzten Jahren über alle Branchen hinweg an Bedeutung gewonnen. Während das Tracking & Tracing noch vor überschaubarer Zeit als „Nice to Have“ für Speditionen galt, das man allenfalls optional nutzen kann, ist es heute bereits eine nahezu obligatorische Funktionalität der Warenwirtschaft.

Wissen als Pflichtaufgabe

In vielen Bereichen spielt auch der Gesetzgeber eine innovationstreibende Rolle – zum Beispiel im Gesundheitswesen oder in der Fleischwirtschaft. So ist seit September 2000 ein Kennzeichnungs- und Etikettierungssystem vorgeschrieben, um die lückenlose Rückverfolgbarkeit von Rindfleischprodukten zu garantieren. Im Gesundheitswesen ist an das 1998 erlassene Transfusionsgesetz zu denken, welches die Chargendokumentation und Dokumentationspflicht für spezielle medizinische Produkte festlegt. Aber auch in der Konsumgüterindustrie, dem Handel und dem Transportwesen, um nur einige weitere Branchen zu nennen, ist das Thema Rückverfolgung relevant. Bei der unternehmensübergreifenden Übermittlung der Daten spielen sowohl das Internet als auch EDI (Electronic Data Interchange) eine Rolle. Ganz allgemein gehören Tracking und Tracing entlang der logistischen Kette zu den anschaulichsten Beispielen des praktischen Nutzens von Collaborative-Business-Modellen.

Auf dem Weg zum Kunden

Ist der Kunde als solcher erkannt, bleibt die Frage offen, wie die bestellte und verkaufsfähig bevorratete Ware am geeignetsten zu ihm gelangt. Damit hat sich die Logistik auseinander zu setzen, zu deren Aufgabengebieten unter anderem das termingerechte Beliefern von verteilten Lagerorten aus gehört. Wie aber kommen die bestellten Mengen zum Adressaten? Das optimale Abwägen von Lagerkapazitäten und Rollwegen zählt zu den kniffligsten, aber auch effizienzträchtigsten Aspekten von Warenwirtschaft und Logistik. Im Sinne einer Versandstückverfolgung kommt dem Tracking auch auf dem Weg zum Kunden eine bedeutende Rolle zu: Welche Mengen von Waren befinden sich gerade an welchem Ort und haben bis wann wo zu sein? Solche für das eigene Unternehmen wie auch für Statusabfragen der Kunden wichtigen Informationen lassen sich nur über entsprechende technologische Vorkehrungen generieren und aktuell halten.

Jederzeit wissen, wo die Ware ist

Bei der Übermittlung logistischer Daten hat sich mit SMS (Short Message Service) ein ortsunabhängiger und kostengünstiger Träger für den Datentransfer bewährt. Übertragungsbasis ist der weltweit führende digitale Mobilfunkstandard GSM (Global System for Mobile Communiations). Auf diesem Weg lässt sich beispielsweise die Kommunikation zwischen den Fahrern und der zentralen Disposition einer Spedition realisieren – über unvorhergesehene Abweichungen vom Tourenplan, Auslieferungsbestätigungen, kurzfristige Änderungen im Auslieferungsprozess, neu erhaltene Ladestationen und vieles mehr. Aber auch die passive Kommunikation ist möglich. Hierbei sorgen winzige Chips in einzelnen hochwertigen Waren oder auch in Verpackstücken für die geografische Ortung. Diese funktioniert dann sowohl im Lager über Scangates als auch „on the Road“ mithilfe der GPS- (Global Positioning System-) Satellitentechnologie.

Sinn und Unsinn eines ‚e-WWS’

Grundsätzlich gilt, dass ein WWS im Idealfall über die Unternehmensgrenzen hinaus in die Prozesse einzubinden ist. Wie weit die Integration freilich mit den Lösungen von Lieferanten, Kunden und Partnern im Sinne des Collaborative Commerce reichen muss, ist immer vom Einzelfall abhängig. Schließlich ist der Zusammenschluss von Unternehmen über das Internet im Sinne virtueller Business Communities zwar grundsätzlich auch für die Warenwirtschaft ein heißes Eisen, hängt jedoch von den jeweiligen Rahmenbedingen ab. Ähnlich fallbezogene Einschränkungen gelten für die Einbindung von WAP: Der Einsatz neuer Technologie führt nicht zwangsläufig zum Seelenheil. Denn die entsprechenden Endgeräte sind noch immer viel zu teuer, und die Übertragungsraten der aktuellen WAP-Standards erlauben den sinnvollen Betrieb von Mobile-Business-Lösungen nur dann, wenn diese zeichenorientiert sind und auf voluminöse Grafiken verzichten. Was sage ich da? Zeichenorientiert? Wer will denn schon heute noch zurück zum Green Screen? In manchen Fällen ist da am Ende eben doch noch das Fax eine sinnvolle Alternative – vor allem dann, wenn man dem Mitarbeiter im Lager auch weiterhin ein ‚Stück Papier’ mit auf den Weg geben will. Papier ist schließlich einfach zu reproduzieren und leicht zu handhaben. Außerdem muss es nicht bedient werden, und es sind keine Lesegeräte notwendig. Ein Vorteil, den Sie übrigens auch bei der Lektüre Ihrer vorliegenden Ausgabe des Midrange Magazin haben, wo und wann auch immer Sie die Muße dazu finden werden. Viel Spaß dabei!