Aus den vielzähligen Lösungen im Bereich Dokumentenmanagement hat sich in den letzten Jahren vor allem Software für das Enterprise Content Management am Markt etablieren können. Dr. Günter Scholz, Leiter Content-Management-Systeme bei IBM EMEA, stand Michael Wirt für ein Gespräch zur Verfügung.

Dr. Günter ScholzDr. Günter Scholz, Leiter Content-Management-Systeme bei IBM EMEA

Michael Wirt: Wie hat sich der Markt für Enterprise Content Management in den letzten Jahren entwickelt und welche Trends sehen Sie für die Zukunft?

Dr. Günter Scholz: Der Markt für ECM Software ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Gerade auch der Mittelstand nutzt immer mehr die Vorteile von ECM-Lösungen. In Zukunft werden die verschiedenen ECM-Komponenten (wie z.B. Dokumenten-Management, Web Content Management, Records Management, e-Mail-Archivierung usw.) noch weiter miteinander integriert. Der Anwender hat davon den Nutzen, dass er mit der Software eines Anbieters mehrere Anforderungen abdecken kann und damit Informationsinseln im Unternehmen vermeidet.

Darüber hinaus werden ECM-Systeme immer mehr mit anderen Produkten verbunden – insbesondere mit Portalen, mit Software zur Collaboration sowie auch mit Storage Management.

Michael Wirt: Sind Content-Management-Systeme an sich isolierte Systeme oder Bestandteil eines DMS-Systems?

Dr. Günter Scholz: Die Begriffe rund um Enterprise Content Management werden unterschiedlich verwendet. In unserem Verständnis umfasst Enterprise Content Management alle Technologien zum Management von unstrukturierten Informationen (wie z.B. Dokumenten, Web Content, e-Mails, digitale Videos und auch Images von Papierdokumenten). Diese verschiedenen Software-Elemente bieten wir als separat erhältliche Module an. Es liegt damit an den Anforderungen der Anwender, ob sie die Software isoliert betreiben oder als Teil eines umfassenden ECM-Systems.

Michael Wirt: Wer im deutschen Mittelstand braucht Software zum Content-Management?

Dr. Günter Scholz: Mehrere Untersuchungen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass etwa 85 Prozent der Informationen in Unternehmen unstrukturiert sind. ECM Software vereinfacht und beschleunigt das Management dieser unstrukturierten Informationen, den Zugriff darauf sowie die Arbeit damit.

ECM Software ist also für alle Unternehmen wichtig, die eines oder mehrere der folgenden Ziele haben:

  • Prozesse beschleunigen,
  • Kundenservice verbessern,
  • Kosten einsparen,
  • Produktivität der Mitarbeiter erhöhen (teilweise verbringen Mitarbeiter 40 Prozent ihrer Arbeitszeit damit, Informationen zu suchen),
  • Risiken vermeiden (die daraus resultieren, dass wichtige Dokumente verloren gehen),
  • Zusammenarbeit über verschiedene Standorte hinweg verbessern.

    Michael Wirt: Welcher Aufwand ist notwendig, um ein Content-Management-System zu implementieren und diesem System die Daten zuzuführen?

    Dr. Günter Scholz: Das ist sehr von den individuellen Anforderungen abhängig. Wir konnten Projekte bereits innerhalb einer Woche umsetzen. Wenn es um eine unternehmensweite Implementierung geht, sind die Aufwände sicherlich höher. Allerdings lässt sich dies nicht pauschal beziffern.

    Michael Wirt: Worauf müssen Kunden bei ECM achten, damit es ein Erfolg wird?

    Dr. Günter Scholz: Aus unserer Erfahrung mit über 13.000 ECM-Kundenprojekten sind u.a. folgende Faktoren kritisch für den Erfolg:

    1. ECM ist nicht mit einer einzigen Technologie abzudecken.
    Mancher Anbieter kann vielleicht die Anforderungen des ersten Projektes leicht meistern, muss dann aber bei Folgeprojekten passen. Das führt dann natürlich dazu, dass es zu einem Wildwuchs unterschiedlicher Software kommt – mit erhöhtem Aufwand für die Integration der Informationen und für den Betrieb. Für den mittel- und langfristigen Erfolg ist daher entscheidend, dass ein Anbieter ein umfassendes Portfolio hat und auch über eine aussichtsreiche Zukunft verfügt.

    2. Der Fortschritt der Speichertechnologie ist von Anfang an zu berücksichtigen. Die meisten Dokumente müssen mehrere Jahre, manche sogar über Jahrzehnte aufbewahrt werden. Die Software muss flexibel genug sein, zukünftige Storage Hardware einzubinden und eine problemlose automatisierte Migration von Informationen zu ermöglichen.

    3. Last but not least spielt die Erfahrung des Anbieters aus realisierten ECM-Projekten eine große Rolle.

    Michael Wirt: Welche Berechnungsgrundlagen kommen bei einem CMS-Projekt zum Tragen und wie sieht die ROI-Betrachtung aus?

    Dr. Günter Scholz: Um den Nutzen eines ECM-Projektes zu bewerten, sind sowohl qualitative als auch quantitative Effekte zu berücksichtigen. Wichtige qualitative Aspekte sind die Verbesserung des Kundenservice und die Vereinfachung der Zusammenarbeit, indem Dokumente einfacher gemeinsam bearbeitet und verändert werden können. Quantitativ messen können wir u.a. Fortschritte bei der Produktivität und Kosteneinsparungen. In der Praxis konnten wir in ECM-Projekten bei mehreren Kunden bereits Einsparungen erreichen, durch die sich die gesamten Investitionen in weniger als einem Jahr amortisiert haben.

    Michael Wirt: Fast alle Informationen stecken heute in irgendwelchen Dokumenten. Wie wird so ein Content-Management-System mit den Dokumenteninformation gefüllt?

    Dr. Günter Scholz: Inzwischen sind verschiedene Technologien verfügbar, um Dokumente automatisiert zu erfassen. So kann CM Software z.B. die Inhalte von eingehenden (Papier-)Rechnungen „verstehen“; sie ermöglicht so eine automatisierte Verarbeitung dieser Dokumente. Aber auch Computer-generierter Output (z.B. Kundenschreiben oder ausgehende Rechnungen) oder e-Mails können vollautomatisch in ein ECM-System übernommen werden. In zahlreichen Projekten wird es auch den Benutzern selbst ermöglicht, Informationen in einem Content Management System zu speichern. Das Dokument wird dabei nicht auf der eigenen Festplatte oder einem Fileserver abgelegt, sondern direkt dem ECM-System zur Verfügung gestellt. Der Aufwand ist der gleiche, der Nutzen dadurch aber wesentlich höher, denn das ECM System stellt Aufbewahrungsfristen, Zugriffsrechte usw. sicher.