MIDRANGE 01/2017 - page 22

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MIDRANGE
AKTUELL
MIDRANGE
MAGAZIN · 01/2017
Im Interview: Michael J. Raber zu ERP und Industrie 4.0
„Paradebeispiel für einen
Enterprise Service Bus“
Die Frage nach der Verträglichkeit bestehender ERP-Systeme mit anderen Auswertungen,
die dem Konzept „Industrie 4.0“ folgen, treibt viele Unternehmen um. Michael Raber, Inhaber
des Systemhauses „Dipl.-Ing. Michael J. Raber, Consulting – Projectmanagement – Software-
Engineering“ erläutert im Gespräch mit dem Midrange Magazin (MM), worauf Unternehmen
besonders zu achten haben.
MM:
Möchte ein Unternehmen Indust-
rie 4.0 umsetzen, kommen enorme Da-
tenmengen ins Spiel. Wie müssen ERP-
Systeme als Informations-Backbone
aufgebaut sein, um diese Informations-
mengen beherrschen zu können?
Raber:
Wir reden hier nicht mehr von
der bisher üblichen Anzahl von Schnitt-
stellen zwischen ERP- und nachgela-
gerten Systemen. Im Umfeld von Indus­
trie 4.0 sind sehr schnell Hunderte oder
Tausende Systeme im Spiel. Hier sind
die üblichen Schnittstellenkonzepte mit
Punkt-zu-Punkt-Verbindung nicht mehr
anwendbar. ERP-Systeme müssen nicht
die Rohdaten beherrschen. Dafür sind
sie nicht ausgelegt. Es muss vielmehr ei-
ne Zwischenebene eingezogen werden,
um Daten zwischen den verschiedenen
Systemen zu transportieren.
MM:
Lässt sich das schon heute stem-
men?
Raber:
Die Technologie ist dazu schon
länger vorhanden – Middleware oder
Enterprise Service Bus genannt. Das
Problem bei solchen Konzepten ist aber
oftmals die Komplexität dieser Anwen-
dungen. Anstatt zu einer Vereinfachung
der Situation kommt es eher zu noch
mehr Unübersichtlichkeit. Große An-
bieter haben das erkannt und verfolgen
entsprechend einfache und auch kos-
tengünstige Konzepte. Zum Beispiel hat
Infor schon vor längerer Zeit die Stra-
tegie mit dem Produkt ION vorgegeben
und damit ein Werkzeug geschaffen, mit
dem auch anspruchsvolle Anforderun-
gen der Industrie 4.0 mit minimiertem
Aufwand zu realisieren sind. Das ist der
Backbone, den Sie erwähnt hatten.
MM:
Wie kommen relevante Infos in
Echtzeit von der untersten in die obers-
te Ebene der Informationsarchitektur?
Raber:
Wir haben die Erfahrung ge-
macht, dass eine Echtzeitkommunika-
tion bis auf die höchste Ebene in der
Regel nicht notwendig ist. Echtzeitkom-
munikation – oder mindestens schnelle
Kommunikation – ist auf unterer Ebene
oftmals erforderlich, wenn Sensoren,
Aktoren, Maschinen und Anlagen mitein-
ander sprechen. Wenn die Kommunikati-
on in höhere Ebenen, also auf MES- oder
ERP-Ebene, geht, reicht in der Regel eine
Meldung im Rahmen der normalen Ver-
arbeitung. Hier ist dann meistens auch
eine Verdichtung oder Filterung der Da-
ten angesagt. An dieser Stelle kommt
dann der bereits erwähnte Enterprise
Service Bus, auch als ESB bezeichnet,
ins Spiel. Das ist die zentrale Kommuni-
kationsebene um ERP- und MES-Syste-
me mit Maschinen, Sensoren, Aktoren
etc. zu verbinden.
MM:
Was ist hierbei besonders wichtig?
Raber:
Eine vollständige Transparenz
des ESB bei zugleich einfachem Hand-
ling: Einerseits sollen Hunderte bzw. Tau-
sende Nachrichten möglichst geräusch-
los im Hintergrund verarbeitet werden.
Wird vom System aber ein bestimmter
Status oder ein Problem erkannt muss
eine Aktion ausgelöst werden. Auch die
Suche nach bestimmten Nachrichten
muss sehr einfach möglich sein. Wir
bewegen uns hier in zwei Ebenen. Auf
der „anwendernahen“, oberen Ebene
werden Dokumente wie Fertigungs-
aufträge, Arbeitspläne etc. versendet.
Auf der unteren Ebene sind es kleinere
Datenpakete, wie zum Beispiel Steuer-
Anweisungen für Maschinen, Messwerte
und Ähnliches. Grundsätzlich wird auf
beiden Ebenen natürlich XML als Format
bevorzugt, um strukturierte Daten abzu-
bilden. Damit sind auch einfache Map-
pings auf ESB-Ebene möglich. ESB-Sys-
teme können in der Regel problemlos
mit XML umgehen. Bei Maschinen- und
SPS-Anbindungen in der unteren Ebene
haben sich Anbieter bereits speziell mit
diesem Thema befasst, um auch hier
eine standardisierte Kommunikation zu
ermöglichen.
MM:
Mit welchen Techniken lassen sich
Applikationen aus den Bereichen ERP,
MES und EAM optimal verknüpfen?
Raber:
Das ist die klassische Aufgabe
des Enterprise Service Bus – also der
oberen Ebene. Der ESB verfügt über
Funktionen, die eine sehr einfache Ver-
bindung zu den genannten Systemen
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