Die Implementierung neuer IT-Systeme erzeugt in der Regel deutliche Änderungen in den Prozessen und Arbeitsmethoden. Deshalb gewinnt das Change Management in der Praxis eine zunehmende Bedeutung für den Projekterfolg. Technische Innovationen in den Unternehmen sind im Regelfall mit Umgestaltungen in der Organisation und den Aufgaben des Personals verbunden. Denn eine Erweiterung oder Modernisierung beispielsweise der Software-Landschaft zieht meist Änderungen in den Abläufen, Verantwortlichkeiten und Berichtsstrukturen nach sich. Werden die Mitarbeiter darauf jedoch nicht ausreichend vorbereitet, gehen erhebliche Nutzenpotenziale verloren.
Deshalb liegt in der technischen Realisierung nicht der einzige Erfolgsfaktor von IT-Projekten. Ebenso entscheidend ist, dass die Benutzer die neue Lösung akzeptieren. Eine Studie der Universität Mannheim in Kooperation mit der SAP-Anwendergruppe (DSAG) zeigte beispielsweise, dass die von Change Management begleiteten Projekte zu einem höheren Nutzen führen, weil eine größere Akzeptanz geschaffen werden konnte. 78 Prozent der befragten Unternehmen schätzen daher den Einfluss auf den Erfolg als stark bis sehr stark ein.
Firmen lassen sich Change Management inzwischen etwas kosten
Der Studie zufolge wird Change Management von allen Befragten am häufigsten als Instrument zur Unterstützung der SAP-Einführung angesehen. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören dabei vor allem die Darstellung der Ziele der SAP-Implementierung zu Beginn des Projektes (93 Prozent), die Vermittlung der Notwendigkeit (89 Prozent) und die regelmäßige Information von Führungskräften und Mitarbeitern (88 Prozent). Das größte Risiko für einen reibungslosen Veränderungsprozess sehen die Unternehmen vor allem in einer mangelhaften Projektarbeit (78 Prozent). Als weitere Gefahren kristallisierten sich die Missachtung der Konsequenzen für die Mitarbeiter (68,6 Prozent) und die Organisationsbedingungen (56 Prozent) heraus.
Die Anwender lassen sich dieses Change Management durchaus auch etwas kosten: In vier von fünf Fällen setzten sie rund 5 Prozent des Budget-Volumens dafür ein. Die zu erwartenden finanziellen Aufwendungen halten aber auch die Unternehmen nicht zurück, die bisher auf eine aktive Steuerung der Veränderungsprozesse verzichtet haben. Sie tendieren immerhin zu über zwei Dritteln dazu, bei künftigen SAP-Projekten ihr Augenmerk auf das Change Management zu richten.
IT-Projekte zu häufig auf die technische Realisierung fokussiert
Die Befragung ergab auch, dass in der Praxis Change Management noch unterschiedlich definiert und verstanden wird. „Ganz unabhängig von den unternehmensindividuellen Bedingungen und den Projekt-Bedingungen ist es wichtig, im Voraus vollständige Klarheit über Ziele, Inhalte und Möglichkeiten zu schaffen“, urteilt Gerhard Schoch, Hauptgeschäftsführer des Karlsruher IT-Providers ORGA GmbH. Sonst werde jeder Veränderungsprozess von erheblichen Risiken begleitet, was zu einer nachhaltigen Ergebnisminderung des Projekts führe.
„Häufig liegt der Fokus zu sehr auf der technischen Lösung. Die Bedürfnisse der Mitarbeiter kommen dann zu kurz. Wichtig ist es, die Mitarbeiter vom Nutzen der neuen Lösung zu überzeugen und beispielsweise die notwendigen aufbauorganisatorischen Veränderungen konsequent umzusetzen“, bestätigt Schoch aus der Praxis heraus die Ergebnisse der DSAG-Studie. „Sind die Beteiligten dafür nicht sensibilisiert und werden die von der Einführung betroffenen Mitarbeiter nicht in den Planungs- und Umsetzungsprozess einbezogen, dann ist der gewünschte Projekterfolg schnell in Frage gestellt.“
Zukünftig wird Change Management für die Anwender eine noch größere Bedeutung erlangen, da der Wettbewerb in seiner immer größeren Dynamik die Unternehmen auf allen Ebenen ständig vor neue Herausforderungen stelle. Gleichzeitig verweist Schoch auf die wachsenden wirtschaftlichen Zwänge, Innovationsmaßnahmen zu einem möglichst schnellen und gesicherten Erfolg zu führen. Der Druck des Marktes werde bis in die Projekte hineingetragen, „doch nicht die technische Realisierung ist der wirkliche Erfolgsfaktor, sondern die Frage, ob die Benutzer von der neuen Lösung begeistert sind und sie innerlich mittragen“. Der Grundgedanke sei, dass tiefgreifende Veränderungen nicht einfach nur verordnet und realisiert werden dürfen, sondern bewusst gelenkt und gesteuert werden müssen. „Erfolgreiches Change Management ist durch einen Wandel in den Köpfen gekennzeichnet“, erläutert Schoch. „Das heißt, dass die von Veränderungen betroffenen Mitarbeiter zu aktiven Mitgestaltern werden.“
Neuerungen frühzeitig erlebbar machen
Dafür ist es seiner Ansicht nach wichtig, dass eine überzeugende und verständliche Vision des Projekts definiert und intensiv kommuniziert wird. Dazu gehöre auch, den Nutzen für den eigenen Arbeitsbereich transparent zu machen. „Nur dann lassen sich die betroffenen Mitarbeiter vom Sinn und Zweck der Veränderungen überzeugen.“ Darüber hinaus sei die reale Erlebbarkeit der laufenden Projektergebnisse wichtig. „Häufig fehlt den Mitarbeitern eine konkrete Vorstellung über die Veränderungen in ihrem Tätigkeitsfeld. Wird das Neue jedoch frühzeitig sichtbar und erfahrbar gemacht, ist die Identifikation einfacher. Dadurch werden Widerstände frühzeitig reduziert“, plädiert Schoch für eine hohe Transparenz bis in die praktischen Benutzerbedingungen der neuen IT-Lösung hinein.
Leitfaden für Change Management
Um Unternehmen dabei zu unterstützen, Change Management systematisch in die Projektplanung einzubeziehen, hat die ORGA einen Leitfaden mit detaillierten Check-Listen herausgegeben. Er liefert eine Vielzahl von Aspekten, die für eine fundierte Entscheidungsfindung relevant sind. Die anbieter- und produktneutrale Praxishilfe kann kostenlos unter www.orga.de angefordert werden.
Wilfried Heinrich