Im CRM-Markt steht „Branchenorientierung“ seit kurzem ganz hoch auf der Hitliste der populären Schlagworte. Wie bei allen Schlagworten, die plötzlich hochkommen, ist auch hier zu hinterfragen, wo die Substanz liegt und wo der „Hype“ beginnt. Schon bevor das Wort CRM überhaupt geprägt wurde, gab es in vereinzelten Branchen – wie Pharma oder gewissen Finanzdienstleistungen – erfolgreiche Anbieter von speziellen Vertriebslösungen. Später kamen z.B. solche Anbieter ins Rennen, die sich ausschließlich auf CRM für die Konsumgüterindustrie fokussierten. Der Erfolg dieser Anbieter zeigt, dass für einige Branchen spezialisierte Lösungen offensichtlich sinnvoll und gefragt sind.
Qualität statt Quantität
Wenn aber Anbieter innerhalb relativ kurzer Zeit bis zu 20 Branchenversionen ihrer CRM-Pakete auf den Markt werfen – wie viel Substanz kann man da für jede einzelne Branche erwarten? Auch bezüglich eines CRM-Beraters muss man sich fragen, ob der „Tunnelblick“ auf genau eine Branche immer der Weisheit letzter Schluss ist. Gerade was Kundenorientierung angeht, gibt es Branchen, in denen ein harter Verdrängungswettbewerb bereits seit Jahrzehnten absolute Kundenorientierung geprägt hat. Unternehmen aus bislang weniger wettbewerbsintensiven Branchen könnten hier massiv von einem Erkenntnistransfer profitieren.
So wird bei fast allen Unternehmen heutzutage „Key Accounting“, also die besondere Betreuung von wichtigen Kunden, zu einer essentiellen Herausforderung. In der Konsumgüterbranche ist man es seit mindestens einem Jahrzehnt gewohnt, einer guten Hand voll großer Handelsketten „auf Gedeih und Verderb“ ausgeliefert zu sein. Kein Wunder, dass Key Account Management hier einen hohen Standard hat.
Viele Unternehmen der produzierenden Branchen ergänzen ihr klassisches Produktgeschäft mehr und mehr mit dem Projekt- bzw. dem Systemgeschäft. Dies stellt völlig andere Anforderungen an vertriebliche Prozesse und führt insbesondere dazu, dass Vertrieb nicht mit dem Holen des Auftrages endet, sondern, dass Vertrieb auch die – oft langwierige – Abwicklung von Projekten begleiten muss. Vom Forecasting bis zur Projektbegleitung sind hier Prozesse und Methoden gefragt, wie sie bei Projektdienstleistungsunternehmen seit Jahr und Tag gelebt werden und praxistaugliche Reife erreicht haben. Auch hier kann branchenübergreifender Wissenstransfer mehr bringen, als das „Kochen im eigenen Saft“.
Gravierende Konsequenzen für die kundennahen Prozesse ergeben sich auch, wenn neue Strategien zum erstmaligen Aufgriff von direkten bzw. indirekten Vertriebsmodellen führen. So besteht in vielen Branchen die Tendenz, kleinere Kunden nicht mehr direkt sondern nur noch über Händler und Distributoren zu bedienen. Dadurch entstehen aber neue Herausforderungen für CRM, denn mit dem neuen Händler- und Distributorenkanal müssen eine Vielzahl von Prozessen – wie beispielsweise Qualifikations- und Bonusprogramme – abgewickelt werden. Auch hier ist viel aus Branchen zu lernen, bei denen der indirekte Kanal schon immer im Vordergrund stand. Genau umgekehrt sieht es aus, wenn beispielsweise ein PC-Hersteller das erfolgreiche Direktvertriebsmodell von Dell übernehmen will und plötzlich mit all den Herausforderungen einer direkten Endkundenansprache und Betreuung konfrontiert ist. Hier können sicher Anleihen bei Versandhäusern gemacht werden, welche dieses Vertriebsmodell teilweise seit 75 Jahren betreiben.
Feinschliff nötig
An diesen Beispielen sieht man, dass die notwendige Ausprägung von CRM oft eher von den gewählten Geschäftsmodellen und den daraus resultierenden Vertriebskanälen als per se durch die Branche geprägt wird. Daran sollte sich auch ein Unternehmen bei der Auswahl von CRM-Softwareprodukten sowie auch von CRM-Beratern orientieren. In einigen Branchen – wie z.B. Finanzdienstleistungen, Pharma oder Konsumgüter – gibt es darüber hinaus im Umgang mit den Kunden sehr spezielle Gepflogenheiten, die eine CRM-Software schon „out of the Box“ adressieren sollte und die dann auch nur von einem Berater mit dem nötigen Branchenwissen „feingeschliffen“ werden sollte. Insbesondere bei gewissen Finanzdienstleistungsprodukten – wie z.B. Privatkredite oder Brokerage – ist die Verbindung zwischen CRM und dem eigentlichen, immateriellen Produkt so eng, dass CRM und insbesondere eCRM eigentlich nur als weitere Funktionalität des Abwicklungssystems oder als eng integrierter Aufsatz realisiert werden kann.
Festzuhalten bleibt am Ende: Im Gegensatz zu ERP, wo beispielsweise die völlig unterschiedlichen Produktionsprozesse in verschiedenen Branche zu unterstützen sind, geht es bei CRM letztendlich doch immer um Beziehungen zu Menschen (Kunden/Interessenten) – und die sind „branchen-unabhängig“.
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