Papier ist nicht gleich Papier. Gehören dann noch Vliese der unterschiedlichsten Art und Nutzung zum Fertigungsprogramm, entsteht eine Varianz, die nur von Spezialisten mit Fertigungs-Know-how und mit entsprechenden Werkzeugen zu handhaben ist. Ein solcher Spezialist ist die Neu Kaliss Spezialpapier GmbH, die ein ERP-System „auf gleichem Niveau“ gesucht und bei Meinikat Informationssysteme gefunden hat. Liefen gestern noch Filter-Vliese zur Weiterverarbeitung als Kaffee-Pads von der Maschine, entstehen dort am nächsten Produktionstag vielleicht schon Tapetenvliese als Trägermaterial für die Tapetenherstellung. Aber zum Programm bei Neu Kaliss Spezialpapier aus Mecklenburg-Vorpommern gehören beispielsweise auch die als Overlays bezeichneten Zulieferprodukte für Laminat-Böden, ferner Feuchtkrepp-Papiere und -Vliese. Und überhaupt spulen sich auf der PM 6 (Papiermaschine 6) rund um die Uhr die verschiedensten Papier- und Vlies-Produkte auf die als Tambour bezeichnete Mutterrolle – stets 2,25 Meter breit und mehrere Kilometer lang.
Zunächst vorhandene Ressourcen genutzt
„Als ehemaliger Ostbetrieb hatten wir vor der Wende so gut wie keine EDV-Unterstützung“, erklärt Matthias Helm die Situation gegen Ende der Achtziger Jahre. Im Februar 1992 von der Melitta-Unternehmensgruppe übernommen, überließ dann ein Schwester-Unternehmen der Neu Kaliss Spezialpapier große Teile seiner Produktionsanlagen und gleich die EDV mit dazu. „Allerdings war dieses Unix-basierte System nicht speziell auf die Papierindustrie ausrichtet“, wie Matthias Helm zurückdenkt, „daher mehr eine Übergangslösung, bei der wir uns schon während der Einführung nach einem neuen System umgesehen haben.“
Branchenlösung gesucht und gefunden
Gesucht wurde ganz konkret nach einer Komplettlösung für die rollenfertigende und -verarbeitende Industrie. Die ausgeprägte Branchenausrichtung, ein überzeugendes Angebot und durchweg positive Referenzkunden-Besuche ließen im Oktober 1992 die Wahl auf PP_mate von Meinikat Informationssysteme fallen. Im Zuge der Software-Einführung war von Unix auf die IBM AS/400 zu wechseln, die auch schon mit dem Startschuss für das Projekt Ende Dezember 1992 installiert wurde. In enger Zusammenarbeit mit dem Software-Lieferanten schloss sich daraufhin die Einführung von PP_mate innerhalb von nur fünf Monaten an. Im folgenden Mai startete schließlich der Echtbetrieb, und zwar zunächst mit der Finanzbuchhaltung, Ein- und Verkauf sowie Lager- und Bestandsführung. Dabei verliefen die Schulungen parallel zur Einführung und eng angelehnt an die tatsächlichen Prozesse vor Ort.
– AS/400, Modell 810, als Hauptrechner für ERP-System PP_mate
– AS/400, Modell 800, als Backup-Rechner für Hochverfügbarkeitslösung von Meinikat Informationssysteme PP_mirror
– 35 Bildschirm-Arbeitsplätze
– Barcode-Drucker für Etikettendruck aus PP_mate heraus
– Handscanner/Lesegeräte an PP_mate angebunden
– … sowie ergänzende Systeme
Komplett aus einer Hand
Neben einem verbesserten Lagersystem mit Abbildung von Artikeln nach VP (Verpackungseinheit)-Nummern wurde PP_mate in der Folge insbesondere um eine Materialwirtschaft und eine Produktionsplanung nebst Bedarfsermittlung, Erstellung von Produktionsaufträgen erweitert, so dass heute alle Kernprozesse zentral aus einer Hand gesteuert werden. Ebenfalls integriert sind Kontraktverwaltung, Statistikmodul, Fertigungsvorschriften, Rollenlager, Qualitätskontrolle sowie ein Lagerinformationssystem. Lediglich die Maschinensteuerung der PM 6 zählt nicht zum Spektrum, und im kaufmännischen Bereich wird PP_mate mit externen Lösungen für Finanz- und Lohnbuchhaltung sowie einem Management-Informationssystem auf Basis von MS SQL ergänzt.
Erhebliche Verbesserungen in den Abläufen
Der messbare Erfolg folgte auf den Fuss. So wirkte sich der Einsatz der neuen ERP-Lösung schnell positiv auf die Effizienz aller Vorgänge aus. Dank der durchgängigen und vor allem auch systemintegrierten EDV-Unterstützung manifestierten sich die bestehenden Workflows von Bestellwesen und Einkauf über Produktion und Lagerhaltung bis hin zu Disposition und Versand. „Auch wenn wir die Verbesserungen nicht in handfeste Zahlen fassen können, sind doch die Wege schneller geworden“, resümiert Matthias Helm den erzielten Nutzen. „Die Informationsflüsse zwischen den Abteilungen und entlang der Wertschöpfungskette haben nicht nur an Geschwindigkeit, sondern auch an Präzision gewonnen – kurzum: Wir haben die Effizienz in Verwaltungs- und Auftragsabläufen verbessert.“
Passgenaue Funktionalität
„Wer von sich behauptet, ein ERP-System mit allen seinen Einzelfunktionalitäten, das es bietet, vollständig einzusetzen, hat in der Regel zu viel Geld ausgegeben“, verweist Matthias Helm auf den Vorzug der Modularität von PP_mate. „Man braucht in aller Regel bei weitem nicht alles, was angeboten wird. Gerade für kleinere Hersteller wie uns mit überschaubaren Anforderungen ist es wichtig, diese passgerecht abbilden zu können. Die zentralen Dinge, die wir benötigen, laufen auf unserer ERP-Lösung.“
Immer etwas Neues: Laufende Projekte
Mittendrin befindet sich Neu Kaliss Spezialpapier in der Einführung der Hochverfügbarkeitslösung PP_mirror. Die damit verbundene vollständig integrierte Replizierung von Daten und Programmen auf einen Stand-by-Rechner befreit das Unternehmen von beeinträchtigenden Sicherungen und anderen Backup-Verfahren – wie beispielsweise Datenspiegelungen. Stattdessen sorgt PP_mirror nahtlos für das Auffangen von Off-Zeiten durch Rechner-, Netzwerk-, Software- oder auch Datenbank-bedingte Probleme. Innerhalb kürzester Zeit kann so der komplette Echtbetrieb auf den Stand-by-Rechner umgeschaltet werden, der sowohl identische PP_mate-Ersatz-Software als auch 1:1-aktuelle Daten bereit hält.
Grafische Oberflächen, die in PP_mate seit langem in hundert Prozent Java native realisiert, also nicht einfach ‚draufgesetzt‘ wurden (wie das bei anderen vielfach im Angebot ist), werden hingegen nur langsam eingeführt. „Wir sind die numerischen Bildschirmoberflächen, die sich ergonomisch sehr bewährt haben, gewohnt und wollen nur dort umstellen, wo Mitarbeiter dies wünschen. Glücklicherweise bietet das ERP-System beide Varianten parallel“, ergänzt Matthias Helm.
Bereits ins Auge gefasst ist zudem die Einführung der Provisionsabrechnung für den Außendienst. Darüber hinaus könnte schon bald die Kreditkontrolle aktuell werden. „Hierfür müssen jedoch die Datenflüsse ergänzt werden, das heißt nicht nur von PP_mate zur Finanzbuchhaltung, sondern dann auch zurück. Letztendlich erhält unser ERP-System dann wieder weitere Funktionalitäten, die unsere tägliche Arbeit effizienter und sicherer gestaltet“, wie Matthias Helm feststellt.
Fachautor: Andreas Becker