Wer sich für eine Standardlösung entscheidet, möchte mit dieser möglichst auch auf lange Sicht arbeiten. Denn zu aufwändig ist die eingesetzte Energie für die Anpassung an die Geschäftsprozesse, zu hoch der Aufwand, um die Mitarbeiter mit dem neuen System vertraut zu machen, um aus dem Unterfangen „Software-Kauf“ eine alljährliche Regelmäßigkeit werden lassen zu können. Bei der Auswahl ist daher neben einer langfristigen Produktpflege gerade auch die Flexibilität der Plattform mitentscheidend. Der Ruf nach größtmöglicher Unabhängigkeit hängt eng zusammen mit der Sorge um den so wichtigen Investitionsschutz: Welche Wachstumspfade stehen mir offen, sind meine unternehmenskritischen Anwendungen auch vor dem Hintergrund von Fusionen in der Lage, die bestehende Betriebssystemsplattform unbeschadet zu wechseln? Liegt in der Entscheidung für eine Enterprise Resource Planning- (ERP-) Lösung unter der IBM i5 etwa eine Sackgasse – oder stehen mir mit ihr ohne großen Aufwand auch andere Welten offen?
Der feine Unterschied
Zu unterscheiden ist hier zunächst zwischen plattformunabhängigen und -übergreifenden Applikationen, denn was ähnlich klingt, muss noch lange nicht das gleiche bedeuten. So wäre eine wirkliche Unabhängigkeit dann erreicht, wenn das gleiche Stück Software ohne nachträgliche Änderung von A nach B überspielt werden könnte und dort beispielsweise durch entsprechende Engines interpretierbar wäre. Als plattformübergreifend ließe sich eine Applikation jedoch schon dann titulieren, wenn sie nativ entwickelt und gegebenenfalls unter Einsatz von Entwicklungs-Tools nachträglich in eine andere Version umgesetzt würde, somit also faktisch verschiedene Codes für verschiedenen Welten mit dem exakt gleichen Leistungsumfang und identischem Anwendungsverhalten vorlägen. Eine dritte Möglichkeit, verschiedene Betriebssysteme zu bedienen, liegt im Web-Ansatz begründet und dem Zugriff sowie der Steuerung der Anwendungen über den Browser, wobei hier immer ein Applikations-Server mit einer bestimmten Plattform im Hintergrund steht.
Interpretierbare Systeme…
Klassische Weltenwechsler sind, zunächst historisch gesehen, die so genannten 4GL-basierten Systeme; aktueller betrachtet, hat sich daneben Java* mit einem denkbar einfachen Ansatz der Plattformunabhängigkeit seinen festen Platz in der IT-Geschichte gesichert. Vereinfacht formuliert, sorgt hier eine jeweils mitgelieferte Java-Engine dafür, dass die Applikationen auf der jeweiligen Plattform interpretiert und ausgeführt werden können. Inwieweit diese Art der Anwendungsportabilität funktioniert, hängt natürlich in erster Linie davon ab, ob Java im Einzelfall wirklich auch gleich Java ist; mitunter pflegen die Entwickler in mancher Hinsicht ihr Inseldasein, was in der Ausführung zu ärgerlichen Detailproblemen führen kann. Wissen sollte man außerdem, dass sich solche Systeme nachteilig auf die Performance auswirken, denn schließlich erfordert die Interpretation eine nicht unerhebliche Prozessorleistung.
… oder alternativ „Native Binary“
Anders ist das bei Lösungen auf Basis eines ausführbaren Maschinen-Codes und damit einem Ansatz, der sich von dem vorgenannten grundsätzlich unterscheidet. So geht hier auch bei hundert Arbeitsplätzen und mehr die Prozessorleistung nicht so schnell in die Knie. Im Prinzip handelt es sich um einen Source-Code, der jeweils für eine bestimmte Umgebung aufgebaut wird und dann auch zunächst nur dort lauffähig ist. Wer seine Software für andere Plattformen öffnen will, muss diese entweder aufwändig neu schreiben oder kompilieren. Im Ergebnis liegen immer für zwei Welten zwei physikalische Binarys vor, die sich allerdings bei sauberer Konzeption durchaus gemeinsam pflegen lassen.
So liegt die Standardlösung ParityERP in Versionen für Linux und Microsoft Windows vor und wird bei Parity Software – je nach Wahl der Entwickler – über Linux-Entwicklungswerkzeuge oder mit Visual Studio weiterentwickelt. Weil der Hersteller seinen Kunden die Applikationen und neuen Releases immer als ausführbaren Code für beide Plattformen ausliefert, können diese jederzeit und binnen kürzester Zeit „die Welten wechseln“. Gelebte Praxis ist dabei, bei Bedarf heterogene Mischformen aufzubauen – beispielsweise Server und Thin Clients im Lager unter Linux und Windows-Clients für Vertrieb und Management. Diese Flexibilität ist erst möglich durch eigenentwickelte und plattformunabhängige Customizing-Konzepte, die alle kundenspezifischen Anpassungen enthalten. Diese werden für die Kunden vom ersten Tag an mitgepflegt und im Zuge von Release- wie auch Plattformwechseln ausgeführt, um das Customizing automatisch mitzuführen. So lässt sich erklären, dass die Vielzahl der immerhin über 1.100 Kunden seit langen Jahren mit ihren Anwendungen arbeitet und dabei mehrere technologische Hürden ohne Angstschweiß und finanzielle Kraftakte genommen hat – am längsten dabei ist übrigens seit 1988(!) die Till Schrauben GmbH aus Riedstadt.
Und ewig lockt das Internet
Nicht zu vergessen im Kontext des flexiblen Umgangs mit Software ist das Server Based Computing (SBC) im Zusammenspiel mit Web-Enabling. SBC beruht auf dem Ansatz, alle Anwendungen über eine zentrale Server-Farm zugänglich zu machen – nicht nur für OS/400 oder i5/OS, sondern auch für Applikations-Server – zum Beispiel unter Microsoft Windows oder Linux. Der Zugriff über den Browser eröffnet gleich eine Vielzahl von Vorteilen wie die Unabhängigkeit von Plattformen und auch die Ortsunabhängigkeit. Ähnliches gilt für die Service-Freundlichkeit, da sich die Anforderungen an Hard- und Software auf die Web-Fähigkeit beschränken. Dem entgegen stehen jedoch auch Probleme und Risiken. Zu nennen wären das trotz VPN ungute Gefühl, Daten im Internet zu hosten – und nicht zuletzt die Virenthematik: Der Aufwand zur Sicherung ist so immens hoch, dass die meisten Unternehmen nach wie vor auf „My Home is my Castle“ setzen und ihre Daten in nicht-öffentlichen Netzen verwalten.
Sozusagen als Brücke zur klassischen Konzeption besteht natürlich auch die Möglichkeit, native Anwendungen beispielsweise über Tarantella oder wie Citrix über das Internet zu betreiben.
Und nicht zu vergessen: WebSphere
Wer zum Einstieg ins e-Business zukunftssichere Infrastrukturen und Applikationen schnell und einfach aufbauen will und dabei Wert auf niedrige laufende Kosten legt, sollte einen Blick auf WebSphere werfen. „Denn mit e-Business die Rendite nachhaltig zu steigern, setzt Lösungen voraus, die kostengünstig sind und zugleich einem hohen Anspruch genügen“, wie Robert Raß, Leiter des Geschäftsfelds e-Business bei der PROFI AG, feststellt. Als BPIC (Business Partner Innovation Center) der IBM hat das Unternehmen bereits in vielen Projekten auf WebSphere gesetzt. „Die Systeme lassen sich schnell und einfach einführen und – nicht minder wichtig – sie funktionieren in der Folge sicher und wartungsfrei.“
WebSphere hat zudem den Vorteil, auf zentralen Plattformen wie iSeries, xSeries, pSeries, zSeries, Sun, HP, Microsoft Windows und auch Linux zu laufen.
Wo liegt die Zukunft?
Wer sich beim Pokerspiel für das Halten und Austauschen von Karten entscheidet, muss flexibel bleiben, weil er nie genau weiß, was er nachzieht. Wer Karten der gleichen Farbe hält, die gleichzeitig auch noch eine Straße ergeben könnten, hat mehr Optionen und spielt auf Flush und Straight zugleich; im Idealfall bringt das sogar eine Straight Flush ein und damit schon so gut wie den Gewinn des Potts. Flexibel zu bleiben und – am Beispiel des Kartenspiels aufgezeigt – für alle möglichen Bilder die richtigen Blätter zu behalten, das gilt auch für die strategische Auswahl einer Unternehmens-Software.
Schließlich sehen die IT-Auguren zwar heute noch voraus, die Pinguine würden die Welt erobern, aber ist Linux wirklich die Zukunft? Und was passiert zum Beispiel unter Performance-Gesichtspunkten, wenn Oracle-, Sybase- oder etwa DB2-Datenbestände zusammenzuführen sind? Sind denn überhaupt ausreichend Fachkräfte im Haus verfügbar, die über das notwendige WebSphere-, Java- oder auch .NET-Know-how verfügen, um die Anwendungen auch auf lange Sicht zu sichern? All das sind Fragen, die sich Entscheider zu stellen haben. Auf keine dieser Fragen gibt es zwar vorgefertigte Antworten, dafür aber einiges Wissenswertes zu lesen, um sich auf dieser Basis eine Meinung bilden zu können. In diesem Sinne: Viel Vergnügen bei der Lektüre Ihres Midrange Magazins!
M.W.
*Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der .NET-Ansatz mit C# ähnlich gelagert, allerdings naturgemäß sehr stark von Microsoft geprägt ist.