Jede Anwendung hat ihren Lebenszyklus. Sobald eine Anwendung den fachlichen oder technischen Anforderungen nicht mehr folgen kann, neigt sie sich dem Ende zu. In der Regel beginnt dann die Suche nach einer geeigneten Standard-Software zur Ablösung der bestehenden. Nicht in allen Fällen gibt es diese in geeigneter Form. Falls es sie doch gibt, dann wäre die Ablösung ein Kraftakt, der sich mit den vorhandenen Ressourcen und Mitteln nur schwer bewältigen lässt. Als Alternativen bleiben dann nur Neuentwicklung, „Nichtstun“ oder die vorhandene Anwendung schrittweise zu modernisieren.
Schrittweise vorgehen
Nichtstun ist kurzfristig betrachtet immer eine Alternative, kann aber langfristig die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens gefährden. Neuentwicklung bedeutet hohe Kosten und hohes Risiko. Die schrittweise Verbesserung der vorhandenen Anwendung im Rahmen einer Anwendungsmodernisierung ist in vielen Fällen ein deutlich realistischerer Ansatz. Hierzu gibt es auch von IBM eine entsprechende „Developer Roadmap“.
Bestandsaufnahme
Bevor man mit der Modernisierung beginnt, muss eine Bestandsaufnahme erfolgen. Als Erstes werden die bereits bekannten und die in einem Zeitraum von mindestens zwei Jahren zu erwartenden fachlichen und technologischen Anforderungen definiert. Die fachlichen Anforderungen sind meist innerhalb des Unternehmens bekannt. Bezüglich der technologischen Anforderungen und Möglichkeiten herrscht oft Unsicherheit: Brauchen wir Java oder .NET, sollen wir auf der iSeries bleiben, wie binden wir externe Partner ein, was passiert mit unserem RPG-Know-how? An dieser Stelle hilft es, sich mit jemandem zusammenzusetzen, der so etwas bereits erfolgreich getan hat und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungen aufzeigen kann.
Proof of Concept
Sobald die Anforderungen definiert sind, muss untersucht werden, ob die vorhandene Anwendung sich wirtschaftlich sinnvoll gemäß den Anforderungen modernisieren lässt. Das ist nicht immer der Fall, lässt sich aber in der Regel mit einem Aufwand von wenigen Tagen klären. Ist das Ergebnis positiv, wird ein entsprechender Modernisierungsplan aufgesetzt und die Kosten für die praktische Umsetzung ermittelt. Um Modernisierung wirtschaftlich zu machen, gibt es am Markt eine Reihe von Tools. Bei den Kosten gibt es im Wesentlichen drei wichtige Positionen: Tool-Kosten, externe Services und interne Aufwände. Diesen Kosten muss man den Nutzwert der Modernisierung gegenüberstellen. Dies können sein: der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, die Reduktion von Wartungskosten, die Reduktion der Systemkosten, die Verbesserung der Anwenderproduktivität, die gesparten Kosten einer alternativen Neuentwicklung oder die Beschaffung und Einführung von Standard-Software. Um Risiken bezüglich Machbarkeit und Budget zu minimieren bzw. weitestgehend auszuschließen, empfiehlt sich ein so genanntes „Proof of Concept“. Hierbei wird mit einem kleinen Teil der Anwendung testweise eine Modernisierung im kleinen Rahmen durchgeführt. Je nach Modernisierungsplan kann das von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen dauern. Anschließend können Ergebnis und Kosten herangezogen werden, um eine wirklich fundierte Entscheidung zu treffen.
In den meisten Modernisierungsplänen tauchen immer wieder folgende Fragestellungen auf:
– Wie bekomme ich eine anwenderfreundliche und ergonomische Benutzeroberfläche?
– Wie integriere ich Fremd- und Office-Anwendungen?
– Wie mache ich die Entwicklung effizienter?
– Wo macht es Sinn, Java oder .NET einzusetzen?
– Brauchen wir Plattformunabhängigkeit?
– Wo können Bedienprozesse drastisch verbessert werden?
– Wie kommen wir zu agileren Geschäftsprozessen?
– Wie kann neue Funktionalität schneller bereitgestellt werden?
Entscheidend für den Erfolg einer Modernisierung ist neben den Kosten-/Nutzen-Aspekten die Unterstützung der Anwender. Es ist ganz wichtig, dort eine „Lobby“ für das Projekt aufzubauen. Meist geht dies mit einigen innovationsfreudigen und meinungsbildenden Anwendern. Bereits in einer frühen Phase sollten die Anwender vom Projekt etwas „sehen“. Daher beginnen Modernisierungen meist an der Benutzerschnittstelle. Gute Ergebnisse am Anfang sorgen für Rückenwind durch die Anwender-Lobby und verschaffen dem Projekt eine breitere Unterstützung. Gute Modernisierungspläne sind Pläne, die sich weitgehend im Rahmen oder parallel zum Tagesgeschäft realisieren lassen. Große und zeitkritische „Kraftakte“ sollten vermieden werden. Je nach Umfang der Modernisierung wird ein Zeitraum von 2-12 Monaten veranschlagt. Ein einzelner Modernisierungsschritt sollte innerhalb von 6-8 Wochen nutzbare Ergebnisse bringen. Erfolgreiche Modernisierungs-Projekte sind ein wirksames Mittel, um das Vertrauen der Anwender in ihre IT deutlich zu verbessern.
Fachautor: Karlheinz Peter