Dr. Hannes Merten, Vorstandsvorsitzender SoftM AG

Michael Wirt: Aktuell sorgt die Übernahme der Solitas Schweiz durch die SoftM AG zum 01.07.2005 für etwas Unruhe im Markt. Wie kam es zu dieser Übernahme?

Dr. Hannes Merten: Wir kennen die Solitas Informatik AG sehr gut, da wir in Deutschland mit 180 Kunden der größte Vertriebspartner für deren DMS-Lösung sind. Als klar wurde, dass das Unternehmen zum Verkauf stand, haben wir genauer hingesehen und nach reiflicher Überlegung beschlossen, die Solitas Informatik AG zu übernehmen. Die DMS-Lösung stellt eine weitere Abrundung unseres mittelständischen Software-Portfolios dar. Wir werden die Produktentwicklung natürlich weiterführen, alleine schon deswegen, weil das Produkt 900 Kunden hat.

Michael Wirt: Die Produkte der Solitas laufen ja nicht nur auf der iSeries. Wie werden Sie die anderen Produktlinien weiterführen?

Dr. Hannes Merten: Unsere Lösungen sind multiplattformfähig ausgerichtet. Da kommt es uns entgegen, dass Infostore ebenfalls auf verschiedenen Betriebssystemen läuft. Die Tragfähigkeit der Windows-Version von InfoStore müssen wir allerdings noch prüfen.

Michael Wirt: Die SoftM AG ist Anbieter einer gesamtheitlichen ERP-Lösung. Kam die Anforderung an eine integrierte DMS-Lösung ebenfalls aus dem Markt?

Dr. Hannes Merten: Nein, das haben wir nicht so gesehen. Ein mittelständischer Kunde akzeptiert es durchaus, wenn eine Software OEM mitgeliefert wird. Er besteht aber auf einem zentralen Ansprechpartner. Die Umstände waren günstig und so haben wir Infostore gekauft.

Michael Wirt: Was sind die Anforderungen des Mittelstandes aus technologischer Sicht gesehen an ein ERP-System?

Dr. Hannes Merten: Im Hinblick auf mittelständische Kunden ist die Anforderung an ein plattformneutrales System ausschlaggebend. Wir können uns nicht mehr nur auf ein bestimmtes System – wie z. B. die iSeries – konzentrieren. Dieser Impuls kommt auch von den Kunden, die eine iSeries einsetzen und hochzufrieden damit sind. Plattformneutralität ist auch hier gefordert, und sei es nur, wenn das Unternehmen beispielsweise eine Niederlassung im Ausland hat und die Mitarbeiter dort mit der gleichen Software wie in der Zentrale arbeiten sollen.

Dem haben wir Rechnung getragen. Unsere SoftM Suite läuft auf Windows, Linux und iSeries. Die Linux-Version ist allerdings noch nicht freigegeben. Das hat keine technischen Gründe, sondern liegt an der mangelnden Nachfrage. Erhebliche Nachfrage besteht aktuell nach der Windows-Version. Rund ein Drittel der Neuinstallationen von SoftM Suite findet auf dieser Plattform statt.

Was die Bedienbarkeit angeht, ist die Browser-Fähigkeit ein weiteres Muss. Dies ermöglicht den Zugriff quasi von überall, ohne vorher eine besondere IT-Infrastruktur aufbauen zu müssen.

Speziell auf die iSeries bezogen gibt es die Anforderung, dass unsere SoftM Suite problemlos auf der Standard Edition läuft und die Enterprise Edition nicht benötigt wird. Das resultiert vor allem aus Kostengründen. Dies sind drei Hauptanforderungen des Marktes an eine aktuelle ERP-Lösung.

Michael Wirt: Wie sehen Sie die Rolle oder Entwicklung der iSeries in absehbarer Zeit?

Dr. Hannes Merten: Man kann in die Vergangenheit sehen, um die Zukunft zu erkennen. In diesem Fall ist die Vergangenheit Stagnation auf hohem Niveau und das wird so bleiben – wobei sich das Niveau nach und nach absenken wird. Das heißt, die iSeries ist eine Plattform, die es weiterhin geben wird. Sie wird, vor allem mit den aktuell erhältlichen Leistungswerten, weiterhin ihren stabilen Markt haben, aber nicht nennenswert wachsen.

Michael Wirt: Stellt diese Entwicklung ein Entscheidungskriterium dar, wenn es um die Auswahl der richtigen Software geht und auf welcher Plattform diese läuft?

Dr. Hannes Merten: Die Anforderung der Plattformunabhängigkeit ist in vielen Fällen eine Grundbedingung. Anders gesagt: Der Markt lässt es aus Hard- und Software-Sicht nicht durchgehen, wenn ein ERP-System nicht mit Windows läuft. Ähnlich könnte es sich bald mit Linux verhalten. Wenn der Markt sich dahin bewegt, sind wir dabei.

Michael Wirt: Die SoftM AG gibt es bereits seit über 30 Jahren und sie hat sich immer wieder einen Namen in Bezug auf Branchen-Know-how gemacht. Wie sieht die weitere Entwicklung in diesem Bereich aus?

Dr. Hannes Merten: Die Branchenorientierung ist sehr wichtig und wird von den Kunden zunehmend gefordert. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Kunde profitiert vom Wiederholungseffekt, von der hohen Funktionalität der Software und von der Kenntnis der branchenspezifischen Prozesse. Wir müssen und werden diesen Weg weitergehen und eher noch verstärken. Wir fokussieren derzeit die Branchen Lebensmittel, Pharma, Chemie sowie Handel und Großhandel. Wir überlegen auch, noch weitere Branchen mit aufzunehmen. Ergänzend kommt bei uns eine starke Ausprägung auf das Rechnungswesen hinzu. In diesem Bereich ebenso wie beim zunehmend wichtigen Thema Business Intelligence sind wir branchenneutral ausgerichtet.
Michael Wirt: Kann man das als generelle Marktentwicklung bezeichnen, wie man sie auch in der Konsolidierung der Software-Häuser mit unterschiedlichem Branchenfokus sieht?

Dr. Hannes Merten: Die Konsolidierung ist nicht Branchen-induziert. Sie wird getrieben durch die schiere Anzahl an Software-Häusern. Der Markt ist „reif“ und daher können nicht so viele Anbieter bestehen bleiben. Das ist so gesehen ein ganz natürlicher Vorgang. Eine Untermenge davon ist sicherlich Branchen-begründet.

Michael Wirt: Wenn wir von einer gewissen Marktsättigung sprechen, dann findet diese doch sehr intensiv im deutschsprachigen Raum statt. Die SoftM AG geht auch in Richtung Osten. Welche Gewichtung hat dieser Markt für Sie?

Dr. Hannes Merten: Unser Ostgeschäft ist zur Zeit noch auf niedrigem Niveau, hat aber hohe Zuwachsraten. Wir sehen hier noch viel Bedarf, im Moment konkret in Tschechien und Polen. Es gibt dort noch einen hohen Anteil an Firmen ohne ERP. Diesen Markt wollen wir bedienen.

Michael Wirt: Welche Größenordnung von Unternehmen treffen Sie dort an?

Dr. Hannes Merten: Die Strukturen sind eher mittelständisch.

Michael Wirt: Wird dieses Geschäft die Windows-Version beeinflussen?

Dr. Hannes Merten: Dort ist der Anteil von Windows-basierter IT-Infrastruktur und damit das Interesse an einer dazu passenden Version noch viel stärker.

Michael Wirt: Die SoftM AG ist einer der Distributoren der IBM, wenn es um Hardware und den Service dafür geht. Wie wichtig ist der Bereich Hardware für Sie?

Dr. Hannes Merten: Der Bereich hat an Bedeutung erheblich zugenommen. Wir haben per 1. Januar 2004 die update Systemintegration übernommen und vergrößerten damit unseren Hardware-Umsatz um etwa 20 Mio. Euro. Mit diesem Schritt konnten wir das Thema Multiplattform auch in diesem Bereich realisieren. Wir verkaufen nicht mehr nur iSeries, sondern in ganz erheblichem Umfang pSeries und auch xSeries. Das war ein bewusster strategischer Schritt, um den Bereich Systemintegration zu stärken und zu erweitern.

Michael Wirt: Wie definieren Sie den Begriff „Systemintegrator“ gegenüber Ihren Kunden?

Dr. Hannes Merten: Wir bieten dem Kunden nicht nur Server, Storage, und Netzwerktechnik, sondern alle dazugehörigen Dienstleistungen. Diese sind nicht nur bezogen auf eine Maschine, die verkauft und installiert wird, sondern können auch so verstanden werden, dass wir permanent Dienstleistungen für den Kunden im Bereich Systemintegration erbringen. Wir streben dauerhafte Beziehungen an und nicht, dass man sich nur alle zwei Jahre bei einem Hardware-Kauf sieht. Dieses Geschäft ist erst dann ein wirkliches Dienstleistungsgeschäft mit entsprechendem Mehrwert für den Kunden und entspricht dem Trend, dass die Kunden weniger selber machen wollen.

Wir nehmen den Wunsch der Kunden, sich auf ihre jeweilige Kernkompetenz zu konzentrieren, ernst und positionieren dementsprechend die Besonderheit von SoftM: Wir sind ERP-Anbieter, Berater und Systemintegrator. Das wollen und brauchen unsere Kunden. Der Kunde will nicht bei jedem neuen Thema, sei es Basel II, ELSTER, Chargenrückverfolgung, Prozesskostenrechnung oder Ausfallsicherheit der Hardware, einen neuen Berater suchen müssen. Wir bieten ihm alles aus einer Hand.

Weiterhin werden wir bei den aktuell ablaufenden Konzentrationsprozessen der Software-Häuser nicht nur daneben stehen. Der Markt bewegt sich und wir werden bei passenden Gelegenheiten wieder zugreifen. Das haben wir z.B. in der Vergangenheit bei DKS und aktuell bei Infostore getan. Wir sehen uns weiter als ein Treiber und nicht als ein Getriebener.