Unternehmen ohne ein Qualitätsmanagement – das geht heutzutage kaum mehr gut. Im Interview mit Midrange Mail (MM) erläutert Josip Breskic, Director Products & Services bei der COSMO CONSULT LS GmbH, welche Vorteile dieser Ansatz mit sich bringt.

MM: Für welche Unternehmen ist Qualitätsmanagement sinnvoll und in welchen Bereichen sollte ein Qualitätsmanagement aufgesetzt werden?

Quelle: COSMO CONSULT LS GmbH

Josip Breskic ist Director Products & Services bei der COSMO CONSULT LS GmbH.

Breskic: Qualitätsmanagement dient nicht nur dazu, die Qualität zum Beispiel von Produkten und Services zu steigern und auf einem hohen Level zu halten, sondern wirkt eher im Hintergrund daran, die Kundenzufriedenheit konstant zu sichern. Es hilft vor allem dabei, viele unangenehme Folgen und Folgekosten zum Beispiel für Nacharbeiten oder Rückrufe zu minimieren. Unter diesem Gesichtspunkt ist es also praktisch für alle Unternehmen im B2B- und B2C-Bereich wichtig, nicht nur dort, wo es viele Regularien und Normen gibt. Neben Bereichen wie Produktion oder Service profitieren auch viele andere Abteilungen davon. Allerdings gehört das Qualitätsmanagement zu den IT-Projekten, deren Wirkung nur schwer zu messen ist. Ein Beispiel: In der Auftragsbearbeitung wird oft nicht viel Augenmerk auf die Qualität gelegt. Wenn hier allerdings viele kleine Fehler gemacht oder Verbesserungsvorschläge nicht aufgenommen werden, hat das viele Auswirkungen auf die Kundenzufriedenzeit oder die Produktqualität.

MM: Wie sieht es in der Praxis derzeit aus?
Breskic: Viele Unternehmen betreiben bereits ernsthaftes Qualitätsmanagement, oft allerdings noch mit starren, langsamen Systemen, die für Teilaufgaben mit flexibleren Werkzeugen ergänzt wurden. Aus der Praxiserfahrung heraus geschätzt, gibt es hier bei etwa 70 Prozent der Unternehmen noch papierbasierte Prozesse. Gerade dann, wenn regelmäßig Aussagen über die Compliance getroffen werden sollen, ist mit solchen Systemen ein erheblicher Aufwand erforderlich. So hat beispielsweise ein Chemieunternehmen sowohl technische Spezifikationen von seinen Kunden, wie ein Stoff hergestellt werden soll, als auch interne Vorgaben und Arbeitsanweisungen. Das führt zu einer hohen Komplexität mit einer Mischung aus elektronischen und Papier-Dokumenten. Oft sind 50 und mehr Beteiligte eingebunden. Manuell ist es damit schwierig, konstante Qualität hinzubekommen. Soll zum Beispiel eine Qualitätsmessung häufiger stattfinden, reicht es nicht, wenn diese Info nur 30 Mitarbeitende erreicht.

MM: Welche Vorteile bietet ein integriertes Qualitätsmanagement für die Fachabteilungen im Unternehmen?
Breskic: Wenn das digitale Qualitätsmanagementsystem integriert eingeführt wird, lässt sich ein deutlich höheres Maß an Transparenz und Effizienz erreichen: Informationen sind ohne Medienbrüche für alle in der Kette sofort sichtbar, Probleme lassen sich schneller erkennen und abstellen. In unseren Praxisprojekten wird immer wieder deutlich, dass neben der Digitalisierung der traditionellen Prozesse – also dem Spezifizieren und Verteilen von Vorgaben – zugleich das elektronische Einsammeln und Verknüpfen der damit verbundenen Nachweise den größten Hebel bietet. Diese Ausrichtung sollte von Anfang an im Projekt etabliert werden.

Quelle: COSMO CONSULT

Auszug aus Prozessen die im ERP System ablaufen und direkten Einfluss auf die Qualität haben, ergänzt mit QM Prozessen die außerhalb des ERP stattfinden.

MM: In welchen IT-Kernsystemen sollte das Qualitätsmanagement als integrierter Bestandteil verankert sein?
Breskic: Dazu gehören vor allem das ERP-System oder die Warenwirtschaft, wo die meisten Prozesse rund um Qualitätssicherung und -kontrolle oder Themen wie Chargen-Rückverfolgbarkeit angesiedelt sind. Eng damit verbunden ist das Dokumentenmanagement, denn die Lenkung der mit dem Qualitätsmanagement verbundenen Dokumente ist eine ganz wesentliche Aufgabe. Zusätzlich kann mit Blick auf die Kundenzufriedenheit auch die Einbeziehung des CRM-Systems sinnvoll sein: Wenn ein Außendienstmitarbeiter vor Ort beim Kunden kritische Aussagen oder Verbesserungswünsche in seinem Gesprächsprotokoll erfasst, sollte das natürlich auch an der richtigen Stelle im Prozess ankommen. Der Trend geht allerdings weg vom Fokus auf Systeme, stattdessen steht die systemübergreifende Ende-zu-Ende-Betrachtung von Prozessen immer stärker im Vordergrund.

MM: Was bedeutet das konkret und wie lassen sich neue Themen wie zum Beispiel KI integrieren?
Breskic: Es geht verstärkt darum, Ansätze wie LowCode/NoCode-Plattformen – etwa Webcon, Microsoft Power Apps oder Power Automate – zu nutzen, um komplexe Software-Lösungen zu entflechten. Zentrale Cloud-Plattformen mit durchgängigem Datenmanagement tragen dazu bei, dass die Software für die Endanwender bedienbar bleibt und die Komplexität hinsichtlich Sicherheit und Compliance gedeckelt wird. Das ist umso wichtiger, weil gerade im Qualitätsmanagement mit Computer Vision und Bilderkennung für visuelle Qualitätsinspektion, Predictive Quality und Predictive Maintenance immer häufiger KI-Methoden genutzt werden können, die in die Prozesse integriert werden müssen.

MM: Wie sollte ein Qualitätsmanagement aufgebaut sein, um möglichst automatisiert eine Optimierung der Prozesse und Produkte eines Unternehmens anstoßen zu können?
Breskic: Zunächst ist es ganz entscheidend, dass sich ein Unternehmen bereits mit seinen Prozessen beschäftigt hat, und dass möglichst auch eine Dokumentation und Visualisierung sämtlicher Prozessschritte einschließlich Abteilungen, Ressourcen und Rollen vorhanden ist. Erst auf dieser Basis ist es möglich zu entscheiden, wo eine Automatisierung ansetzen kann, wo sich vielleicht mit einem Standardsoftware-Baustein eine Lücke schließen lässt und wo die größten Potenziale zu heben sind. Für viele Prozesse wie beispielsweise Abweichungen oder Out-of-Specification-Situationen braucht es eigene Lösungsbausteine über das ERP hinaus. Das kann von einer kleinen App bis zu einem Cloud-Service reichen. Klar ist natürlich: Die Digitalisierung im Qualitätsmanagement bedeutet nicht, dass einfach ein Schalter umgelegt wird – sondern es geht um eine schrittweise Umsetzung. Dennoch lassen sich auch akute Probleme zeitnah durch eine digitalisierte Herangehensweise lösen.

MM: Wie können IT-Dienstleister dabei helfen?
Breskic: Wir haben zum Beispiel durch eine Prozessautomatisierung bei einem Hersteller von Feuchttüchern kurzfristig dazu beigetragen, dass die bisher papierbasierte Qualitätssicherung die Skalierung nicht weiter ausbremst. Durch Corona war die Nachfrage massiv angestiegen und man hatte auf ein 24/7-Dreischichtmodell erweitert. An Maschinen aller Linien musste jede Stunde eine manuelle Prüfung mit 34 Fragen erfolgen, die Antworten als Nachweise dann digitalisiert werden. Mit einer kleinen App, die vollelektronisch die Antworten einsammelt und dokumentiert, konnte die Arbeitszeit von 1,5 Mitarbeitenden eingespart und der Flaschenhals beseitigt werden. Aber auch insgesamt gesehen ist es wichtig, dass Dienstleister nicht mehr versuchen, Kunden in Standardprodukte zu zwingen, sondern individuelle Lösungen zu ermöglichen. Eine Spezialisierung auf bestimmte Branchen und ihre Prozesse wird dabei noch wichtiger, denn jede Branche tickt anders.

Rainer Huttenloher

COSMO CONSULT Gruppe